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Rehe werden im Wald gebraucht

Vereinigungen wehren sich gegen Massenabschuss und Kopfgeld

 

 

 

Mit Befremden haben fünf Natur- und Tierschutzvereinigungen gemeinsam auf das Ansinnen der Stadt Bad Honnef reagiert, den Abschuss von Rehen und anderen Paarhufern im kommenden Jahr massiv zu intensivieren. Die Verbände haben die Stadt Bad Honnef und namentlich den Stadtförster in einem Schreiben vom 29.10.2023 aufgefordert, diesen Plan aufzugeben und in einen öffentlichen Dialog einzutreten. Eine Antwort steht aus.

 

Die Absicht, die Stadtwaldflächen in elf etwa 100 ha große Begehungsreviere aufzuteilen und einen Mindestabschuss von zwölf Rehen pro 100 ha und Jahr als Grundbedingung der zukünftigen Jagdausübung zu verlangen und darüber hinaus für weitere Rehabschüsse Kopfprämien von 100 Euro auszuzahlen und zusätzlich weitere „Bewegungsjagden“ zu veranstalten, widerspricht allen Grundsätzen des Tier- und Naturschutzes. Selbst zahlreiche Jägerinnen und Jäger wehren sich gegen die ihnen vom Forst mehr und mehr zugedachte Aufgabe einer zur vermeintlichen „Schädlingsbekämpfung“ verkommenen Jagdausübung.

 

Das Reh ist eine heimische Tierart. Angeblich zu hohe Rehbestände sind Folge optimaler Umweltbedingungen, die seitens der Forstwirtschaft durch Kahlschläge und künstliche Pflanzungen herbeigeführt werden. Ein hoher Wildabschuss gegen diese durch den Forstbetrieb erzeugte hohe Lebensraumkapazität ist ein extrem aufwändiges Unterfangen, das mit endlos viel Tierleid verbunden ist und erhebliche ökologische Schäden verursacht. Denn die Paarhufer werden als Bestandteil des Ökosystems gebraucht, Wildschweine öffnen z.B. den Boden für Baumsämlinge, die Wildtiere schaffen Pfade und Lichtungen im Wald, ihr Kot ist Nahrung für zahlreiche Insekten und mit ihm werden Pflanzensamen verbreitet. Die Wildtiere selbst sind Beute für andere Tiere.

Denkbare Lösungsansätze bestehen hingegen in einer angepassten forstlichen Betriebsführung, die Kahlschläge vermeidet, die Baumkronen gefällter Bäume unzerteilt als Schutz für Jungbäume in der Fläche belässt, die Ruhe für die Tiere im Wald fördert, die verstärkt auf die Naturverjüngung setzt und die der natürlichen Waldentwicklung mehr Zeit einräumt. Im Naturschutz- und Fauna-Flora-Habitat-Gebiet wie dem Siebengebirge sollte die natürliche Waldentwicklung mit Rehen die Zukunft des Waldes maßgeblich bestimmen.

In den Kahlschlägen, die sich allmählich durch dichte Vegetation schließen, finden Paarhufer wie das Reh Nahrung im Überfluss, so dass für einen Waldaufbau in jedem Fall ausreichender Baumjungwuchs verbleibt. Ein erhöhter Jagddruck kann hier sogar das Gegenteil vom Beabsichtigten bewirken, wenn sich nämlich die durch die Jagdausübung gestörten und vorsichtiger werdenden Tiere kaum noch aus der Deckung heraus bewegen und in ihrem engen Umfeld verstärkt den Baumjungwuchs abfressen.

 

Im Fauna-Flora-Habitat-Gebiet „Siebengebirge“ haben die Waldfunktionen Naturschutz, Erholung und Klimaschutz Vorrang gegenüber der Holzproduktion. Demgegenüber verlangt der auf die ganze Lebensgemeinschaft gerichtete Schutzansatz in einem FFH- und Naturschutzgebiet eine ausgewogene Präsenz aller für den Lebensraum Wald typischen Arten.

 

Weil die Neupflanzungen ohnehin nahezu durchweg mit Verbissschutzvorrichtungen oder durch Zäune geschützt werden, erübrigt sich ein hoher Jagddruck.

 

Die Entwicklung, dass das einzigartige Siebengebirge zunehmend zur reinen Holzproduktionsstätte degradiert wird, in der breite, schwerlasttaugliche Wege, zahllose gefräste und gemähte Schussschneisen und hunderte Hochsitze das Landschaftsbild bestimmen, ist mit den Naturschutzzielen und der hohen Bedeutung des Siebengebirges für die Naherholung nicht vereinbar.

 

Ebenso wenig kann vermittelt werden, dass aus Naturschutzgründen ein striktes Wege- und Leinengebot für alle Hunde besteht, dass aber sogenannte Bewegungsjagden durchgeführt werden, bei denen die Wildtiere von Jagdhunden in ihren ruhigen Einständen aufgescheucht und durch den Wald gehetzt werden. Die Menschen möchten aber im Wald auch heimische Wildtiere wie das Reh im vertrauten Miteinander beobachten und erleben können. Nicht ohne Grund untersagen immerhin zahlreiche private Grundeigentümer die Jagd auf ihren Eigentumsflächen generell.

 

Stark durch Jagd reduzierte Rehbestände erhöhen außerdem das Risiko, dass in der Region sich ansiedelnde Wölfe verstärkt Haustiere angreifen, wenn ihre natürliche Beute knapp wird. 

 

Nötig sind deshalb anstelle überkommener und falscher Jagdausübung ganzheitliche, abgestimmte Konzepte. Solche zu entwickeln ist Aufgabe der für die Wahrnehmung des Jagdrechtes zuständigen Forstdienststellen und ebenso der politisch Verantwortlichen des Kreis- und Landtages. Wobei es unerlässlich ist, auch unabhängigen waldökologischen und naturschutzfachlichen Sachverstand einzubinden. 

 

 

 

BUND Kreisgruppe Rhein-Sieg, Dipl.-Ing Achim Baumgartner

 

Europäischer Tier- und Naturschutz e.V., Dr. Rita Tondorf

 

NABU Rhein-Sieg-Kreis, Prof. Dr. Lucia Wickert

 

Naturschutz-Initiative e.V. (NI), Harry Neumann

 

Vogelschutz-Komitee e.V., Dr. Eberhard Schneider